(Post-)koloniale Viehzucht in Namibia: Historische, sozio-ökologische und genetische Transformationen
Ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördertes Projektpaket
Dieses kollaborative und interdisziplinäre Projektpaket untersucht die Viehzucht in Namibia vom Beginn der Kolonialzeit (1884) bis heute als einen miteinander verflochtenen Prozess historischer, sozio-ökologischer und genetischer Transformationen.
Die Projektpakete werden geleitet von:
- Geschichte: J. Prof. Dr. phil. Stephanie Zehnle
Außereuropäische Geschichte, Historisches Seminar Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
- Soziale Ökologie: Prof. Dr. Brigitte Kaufmann, Dr. Christian Hülsebusch
Deutsches Institut für Tropische und Subtropische Landwirtschaft (DITSL), Witzenhausen
- Tierzüchtung: Prof. Dr. Sven König
Institut für Tierzucht und Haustiergenetik Justus-Liebig-Universität Gießen
In Partnerschaft mit:
- UNAM: Universität von Namibia - Universitätsarchiv
- NUST: Namibia Universität für Wissenschaft und Technologie - Bereichsmanagement
- NLAS: Namibia Bibliothek & Archivdienst - Nationalarchiv
- Namibia Ressourcen-Berater
- Earth Wise Enterprise
Die Etablierung kolonialer Systeme in Afrika griff massiv in die afrikanischen Gesellschaften ein und verursachte tiefgreifende Veränderungen der Lebensräume mit ihrer Biodiversität, Ressourcenausstattung und Landnutzung. Die Viehzucht war ein zentrales Element der kolonialen Unternehmungen im heutigen Namibia. Die Absicht der Kolonisatoren zu einer geplanten Transformation war selbst Teil der Legitimation des Kolonialismus und des biologischen Rassismus: Bestehende Viehbestände und Produktionssysteme galten - ebenso wie die afrikanischen Gesellschaften - als verbesserungsbedürftig durch europäische Anleitung. Die kolonialen Entwürfe für die Zukunft beinhalteten die Nutzung lokaler Rassen und die Einführung europäischer Rassen, neue Formen der Tierhaltung und neue Strategien der Land- und Ressourcennutzung. Folglich führte die Kolonialisierung zu einer Diversifizierung der Tierproduktionssysteme mit divergierenden Zuchtzielen und -Ergebnissen. Dies führte zu Transformationsprozessen in Nutztierpopulationen auf phänotypischer und genotypischer Ebene.
Das Verbundprojekt untersucht die Zusammenhänge zwischen kolonialer Strategieplanung und praktischen Zuchtmethoden sowie die damit verbundenen historischen Veränderungen in der Gesellschaft, in den Mensch-Tier-Beziehungen und in der genetischen Ausstattung von Rinderpopulationen exemplarisch für namibische Rindersystemean verschiedenen Standorten. Unterschiedliche bevorzugte Nutztierphänotypen können als Entwürfe unterschiedlicher gesellschaftlicher Wertesysteme aufgefasst werden, die gesellschaftlich verankert werden mussten. Die daraus resultierenden züchterischen Eingriffe führten jedoch zu einer Mischung aus beabsichtigten und unbeabsichtigten sozialen und genetischen Veränderungen, die sich im Nachhinein nicht leicht trennen lassen. Vor diesem Hintergrund:
Das Geschichtspaket untersucht, nach welchen traditionellen Strategien die koloniale Zucht gesteuert wurde und wie sich die kolonialen Mensch-Tier-Beziehungen angesichts der Zuchtergebnisse veränderten. In einem mikrohistorischen Ansatz untersucht es die afrikanischen Farmen ehemaliger Stipendiaten der landwirtschaftlich orientierten Deutschen Kolonialschule in Witzenhausen und der Kolonialen Frauenschule in Rendsburg. >
Das Social Ecology Package untersucht die Produktionsstrategien, Prinzipien und Handlungslogiken von Viehzüchtern/Pastoralisten in verschiedenen Weidelandsystemen des heutigen Namibia. Es wird untersucht, wie sich diese Logiken entwickelt haben und wie sie unterschiedliche Mensch-Tier-Umwelt-Beziehungen widerspiegeln. >>>
Das Tierzuchtpaket untersucht, inwieweit koloniale gesellschaftliche Veränderungen zur Definition von Zuchtzielen beigetragen haben und inwieweit darauf basierende Zuchtprozesse heute auf der Basis genomischer Daten gemessen werden können. >
Durch diesen interdisziplinären Ansatz werden historische, gesellschaftliche, landnutzungsbezogene und genetische Transformationen anhand eines konkreten Fallbeispiels in direkter Beziehung zueinander untersucht. So soll geklärt werden, ob und wie die landwirtschaftliche Nutzung des Weidelandes durch die Kolonialisierung nachhaltig verändert wurde oder ob und inwieweit sich afrikanische Zucht- und Haltungspraktiken letztlich als resilient erwiesen haben.